"Kaum ein Dichter wurde in den vergangenen Jahren öfter bemüht, wenn es um (befürchtete) Katastrophen ging. Ob die Sonnenfinsternis 1999, das Jahr 2000 oder die Terroranschläge vom 11. September 2001 – die Verse von Michel de Notredame ('Nostradamus', 1503-1566) werden gerne zum Beweis dafür angeführt, dass es prophetisch begabte Menschen gibt. Und es ist auch oft einleuchtend, wenn die Deuter der vermeintlichen Prophezeiungen erklären, warum genau dieser oder jener 'Quatrain' (Vierzeiler) den Aufstieg Adolf Hitlers oder den Tod von Heinrich II. vorausgesagt hat." [*]

Besonders in Zeiten der sozialen, ökonomischen und ökologischen Krisen hat Nostradamus Hochkonjunktur – im Gleichschritt mit Psychosekten, abergläubischer Wahrsagerei und Verschwörungstheorien. Immer wieder tauchen selbsternannte "Experten" in der Öffentlichkeit auf, die behaupten, den Nostradamus-Code entschlüsselt zu haben, nicht selten mit Hilfe von Computeranalysen, um der Öffentlichkeit Methodik und Gesetzmäßigkeit vorzugaukeln.

Nostradamus, geboren 1503 in Saint-Rémy-de-Provence, studierte mit 16 Jahren Medizin, Mathematik und Astrologie, und mit 19 Botanik, Pharmakologie und Philosophie. Nach dem Studium ging er auf Wanderschaft und machte sich als Pestarzt einen Namen. Als er sich in Salon-de-Provence niederließ, verdiente er sein Geld mit der Zubereitung von Liebestränken und kulinarischen Rezepten, Erstellung von Horoskopen und Bauernalmanachen – einer Mischung aus Wettervorhersagen, astrologischen Konstellationen und astronomischen Ereignissen. Erst im Alter von 45 Jahren begann er mit der Dichtung der Quatraine. Seine Berühmtheit erlangte er durch seine vermeintliche Prophezeiung vom Tod des Königs Heinrich II, der bei einem Turnier ums Leben kam, weil ihm ein Splitter der zerbrochenen Lanze seines Gegners Graf Montgomerys das Auge durchbohrte uns in das Gehirn eindrang.

Nostradamus schrieb:

"Der junge Löwe wird den alten besiegen,
auf dem Schlachtfeld in einem außergewöhnlichen Kampf:
Im goldenen Käfig wird er ihm die Augen ausstechen,
Von zwei Herren wird einer einen grausamen Tod sterben."

Katharina von Medici, die Witwe des Königs, stets von Magiern und Sehern umgeben, machte den unheilvollen Propheten zum Hofastrologen und Leibarzt für ihren Sohn Karls IX. Bis zu seinem Tod 1566 veröffentlichte Nostradamus zehn Centurien mit insgesamt 924 Vierzeilern.

Bis heute ist der Mythos um die vermeintlich prophetische Gabe von Nostradamus lebendig geblieben. "Die Autoren, die von den prophetischen Künsten von Nostradamus überzeugt sind, finden immer überraschendere Übereinstimmungen zwischen Voraussagen (genauer: ihrer Interpretation des Vierzeilers) und Ereignissen, die bereits stattgefunden haben; auf eine konkrete oder zutreffende Interpretation 'zukünftiger' Ereignisse hingegen müssen die Leser weiterhin warten. [...] Nostradamus hat mit seinen 'Centurien' [...] ein Paradebeispiel für Texte geschaffen, die zu Spekulationen geradezu einladen: Düster und kryptisch, gespickt mit Vokabeln fremder Sprachen, Wortspielen, Neuschöpfungen und symbolischen Ausdrücken." [*] Er soll unter anderem die beiden Weltkriege vorhersagt habe, die Seuche Aids und den Tod von Prinzessin Diana. Aber natürlich nur verschlüsselt – im Gegensatz zu anderen "falschen" Propheten und Endzeitsekten, die es törichterweise zu genau mit dem Datum und mit der Formulierung nahmen. Denn die Interpretation bereits geschehener Ereignisse ist typisch für alle Weissagungen - von Astrologie bis zu Zukunftsprophezeiungen. Hinterher weiß man's halt besser.

Quellen:

[*] eSkeptiker 12/2003

Reinhard Mussik: Einen ausf�hrlichen Lebenslauf, Informationen zu den Prophezeiungen des Nostradamus sowie Links und Buchtipps findet Ihr auf folgender Website: www.nostradamus-heute.de
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09.02.2004, 11:53 Uhr)

Comment-Script (c) by Alex Ilosuna