Vitamine - zuviel oder zuwenig?

Aus Wiki.sah

Geld regiert die Welt, lautet eine bekannte Binsenweisheit, und wir stimmen dem zu, vielleicht widerstrebend, aber es lässt sich nicht leugnen. In der Marktwirtschaft gibt es für alles einen Wert und einen Preis. Und der Wert einer Sache wird üblicherweise in einer Währung bemessen, die im Volksmund Geld genannt wird. Der Marktwert für ein Tauschgut hängt von mehreren Faktoren ab, die hier aufzuzählen nicht die Aufgabe dieses Artikels ist. Im Wesentlichen bildet den Wert einer Ware eine bestimmte Menge Ausgangsmaterial, die aus einem Äquivalent von billiger Energie und teuerer Menschenkraft zu einem Gebrauchsgegenstand manifestiert. Das Weitere regeln Angebot und Nachfrage.

Während wir die Sachgegenstände rein subjektiv nach dem persönlichen Nutzwert bewerten und die Lebensmittel ebenso subjektiv nach ihrem Geschmack, so gibt es dennoch einen grundlegenden Unterschied: die sagenumwobene Vitamine. Auch wenn die Anzahl der Vitamine sich nicht zwangsläufig im Preis niederschlägt, hängt der wirtschaftliche Erfolg eines Produkts oft von der Menge der darin enthaltenen Vitamine ab. Wer kennt nicht die typischen Werbeslogans von den Cerealien und der "extra Portion Milch", den Vitamin C enthaltenen Bonbons, die man ab besten in doppelter Menge nimmt, und dem Drink aus der Miniflasche, der die Abwehrkräfte aktivieren soll?

Nichts scheint in der heutigen Zeit begehrter und mythenumwobener zu sein als Vitaminpräparate in Form von Nahrungsergänzungsmitteln, Vitamincocktails und Vitaminpillen. Von der Werbung und unkritischen Medienberichterstattungen mit erkältungsvorbeugenden Eigenschaften belegt, als Anti-Aging-Jungbrunnen angepriesen und sogar als krebs- und herzinfarktvorbeugend propagiert. Vitamine als das Mittel schlechthin. Dieser Artikel soll mit Vorurteilen und Legenden um die Vitamine aufräumen.

Was sind Vitamine?

Der Name Vitamin ist ein Kunstwort aus dem lateinischen Wort vita für "Leben" und dem Kurzwort Amin, das seinerseits aus "Ammoniak" abgeleitet wird. Geprägt wurde die Bezeichnung 1912 von dem polnisch-amerikanischen Biochemiker Casimir Funk. Vitamine sind niedrigmolekulare organische Verbindungen unterschiedlicher chemischer Form. Sie dienen als Katalysatoren und spielen somit beim Stoffwechsel von Lebewesen eine wichtige Rolle. Weder der Mensch noch die Tiere sind in der Lage, Vitamine zu synthesieren bzw. in nicht ausreichender Menge. Deswegen müssen sie die Vitamine mit der Nahrung aufnehmen. Hauptlieferanten für die Vitamine sind Pflanzen. Einige der Vitamine können auch bei dem Verdauungsvorgang durch die Darmflora gebildet werden. Längere Aufnahme der Nahrung ohne zugesetzte Vitamine hat spezifische Vitaminmangelerscheinungen zur Folge (Hypovitaminose). Im Umgekehrten Fall können bestimmte, vor allem fettlösliche Vitamine, unerwünschte toxische Wirkungen zeigen (Hypervitaminose).

Bis heute sind 13 Vitamine und einige Provitamine bekannt. Sie werden ihrer Funktion nach in zwei Gruppen aufgeteilt: die Vitamine A, D, E, K als sog. fettlösliche Vitamine und die Vitamine der B-Gruppe und das Vitamin C als wasserlösliche Vitamine. Während wasserlösliche Vitamine schnell vom Körper ausgeschieden werden und täglich mit der Nahrung zugeführt werden müssen, werden fettlösliche Vitamine in der Leber gespeichert.

Können Vitamine Erkältungen vorbeugen und gar Krankheiten heilen?

Heutzutage preist die Lebensmittelindustrie ihre Produkte nach der Anzahl und der Menge der natürlichen oder synthetischen Vitamine. Ob Süßigkeiten, Joghurt oder Brotaufstrich. Überall finden wir Vitamine. Moderne Lebensmittel sollen schlank und intelligent sein, energiearm und gesund. Mit Vitaminen angereicherte Bio-Drinks sollen unsere "Darmflora fördern" und uns vor Erkältungen schützen. Verspricht hier die Werbung nicht zu viel?

Einige Vitamine, und vor allem das Vitamin C, besitzen in der Tat erkältungsabwehrende Eigenschaften. Aber wie bei so vielem, gilt auch hier die Feststellung des Paracelsus: "Die Menge macht das Gift." Während die wasserlöslichen Vitamine bei einer Überdosierung relativ schnell aus dem Körper ausgeschieden werden, werden die fettlöslichen Vitamine im Körper gespeichert. Unzählige Studien belegen, dass die Vitamine bei einer Überdosis ihre Wirkung umkehren können, d.h. dass ähnliche Symptome wie bei einer Mangelerscheinung auftreten. Des weiteren können hohe Vitamindosen Allergien verursachen, das Immunsystem schwächen, die Bildung der Nierensteine begünstigen und sogar Krebs fördern. Von krebshemmenden Eigenschaften, wie sie vor allem diverse Multi-Level-Marketing-Kreise mit ihren höchst skurrilen Produkten (ohne hier Ross und Reiter zu benennen) anpreisen, kann also nicht die Rede sein.[1]

In keinen ernstzunehmenden Studien wurden statistische Zusammenhänge zwischen der erhöhten Einnahme von Vitaminen und einem Rückgang von Erkältungskrankheiten belegt, trotz der Behauptungen der Wellness-Jünger, der Lebensmittelindustrie und den einschlägigen Vertriebsnetzwerken.

Benötigen wir zusätzliche Vitamine?

Vitaminmangel entsteht bei extrem einseitiger oder unzureichender Ernährung und betrifft vor allem die Länder der Dritten Welt mit ihren typischen auf Vitaminmangelerscheinungen beruhenden Erkrankungen wie Skorbut, Rachitis und Beriberi. Interessant ist auch der Umstand, dass viele pflanzliche Präparate mit nachgesagtem hohen Vitamingehalt, die meistens durch aggressiv auftretende Vertriebsnetzwerke als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden, aus den Ländern der Dritten Welt stammen. Glaubt man den Behauptungen vieler MLM-Netzwerke über die Wirkung solcher Vitaminpräparate, müssten die Menschen der Dritten Welt kaum Krankheiten kennen und mit einer enorm hohen Lebenserwartung gesegnet sein. Dass eigentlich das Gegenteil der Fall ist, braucht hier nicht weiter erläutert zu werden.

Tatsache ist, dass bei gesunder, ausgewogener Ernährung der tägliche Vitaminbedarf eines Westeuropäers vollkommen gedeckt ist. Und wenn vereinzelt Vitaminmangelerscheinungen auftreten, dann "meist [als] Folge von Alkoholismus, extrem einseitiger Ernährung oder strengen Diäten."[2] Jedoch auf keinen Fall als umsatzbezogene, bis zur Panikmache gesteigerte ideologische Propaganda einiger in der Grauzone agierender Geschäftsmacher. Bei der heutigen Ernährungsweise ist die Angst vor einer Vitamin-Unterversorgung weitgehend unbegründet.[3]

Teuere Vitamincocktails sind nicht nur überflüssig, sondern können mitunter gefährlich werden, insbesondere bei einer Überdosierung der Vitamine A und D. Was viele Verbraucher nicht wissen, dass "Verstöße bei Überschreitung der festgesetzten Höchstmenge von Vitamin A und D Straftaten sind."[4]

Bevor man sich auf abenteuerliche Erklärungsversuche eines nur an Profit denkenden MLM-Distributors einlässt, sollte man immer einen Arzt konsultieren.[5] Ein MLM-Laienverkäufer, dessen ganze fahliche Qualifikation aus einem zweistündigen Video-Crashkurs besteht, will und kann auch nicht einen Vitaminmangel festzustellen. Alles, was er gelernt hat, ist, dass man unbedingt Mega-Vitamincoctails benötigt. Das will er Ihnen unbedingt an die Nase binden. Verbreitung der Ideologie und das Geschäft sind für ihn vom essentiellen Nutzen.

Siehe auch

Quellennachweise und Fußnoten

  1. Medicine-Worldwide
  2. LIFELINE - Medizin und Gesundheit
  3. genethik.de
  4. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
  5. Und die Aussagen sind oft wirklich abenteuerlich. z.B.:
    - Jedes Tier und jeder Mensch, die eines natürlichen Todes sterben, tun dies aus Vitaminmangel.
    - Sie brauchen 90 Nahrungsergänzungsmittel in Form von 60 Mineralen, 16 Vitaminen, 12 Aminosäuren und 3 Fettsäuren, anderenfalls werden Sie erkranken.
    - Vitamine sind in der Lage, Krebs, Kreislauferkrankungen und destruktive Wirkungen des Alterungsprozesses zu verhindern.
    - Nierensteine würden sich aus ihren eigenen Knochen bilden, und das aus einem Defizit an Kalzium.
    - Pflanzen würden keine Mineralen enthalten.
    - Naive Stories von angeblichen 150- und 200-Jährigen, die ihr Leben lang die besagten Nahrungsergänzungsmittel nahmen und dabei tranken und Zigarren rauchten und trotzdem oder vielleicht deswegen so alt wurden.