Weihnachten – Christi Geburt oder heidnischer Aberglaube?

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Das Weihnachtsfest steht wieder vor der Tür, was uns nicht nach einem flüchtigen Blick auf den Kalender oder aufgrund einer aufkommenden Erkältung bewusst wird, sondern eher nach einem Besuch in einem dieser glitzernden, nach Zimt, Mandeln und Tannenzweigen riechenden Konsumpaläste. Weihnachtsbeleuchtung wohin man nur schaut, vom Glockenspiel begleitete Weihnachtsmusik, aufdringliche Weihnachtsmänner, bunter Deko-Kitsch und gestresste Menschen. Das Fest der Liebe und Besonnenheit naht und wir alle wollen schenken und beschenkt werden, weil das einige, uns nah stehenden Menschen von uns erwarten ... und der Einzelhandel auch. Wir huschen hin und her, treten uns auf die Füße und stehen in Staus, die unsere Geduld und die Besonnenheit einer harten Prüfung unterziehen. Vielleicht fragt sich der eine oder der andere, was an diesem chaotischen Tummeln so feierlich sein soll - wer will schon wieder Socken, Unterwäsche oder einen weiteren Pullover haben oder auch diese verschenken -, aber im nächsten Augenblick findet man sich mit seinem Los ab und gliedert sich in den Strom ein ... wenn die Ampel endlich auf Rot geschaltet hat. Der Verkehr roll wieder, und der Rubel auch.

Die Christen beanspruchen eine Monopolstellung auf die Idee der Weihnachten. Ein durch und durch christliches Fest, würde man meinen. Aber ist das denn wirklich so? Woher nimmt Weihnachten seinen Ursprung? Doch nicht etwa in der Marktwirtschaft? Obschon Weihnachten eine zentrale Gestalt im Christentum einnimmt, ist es kein christliches Fest, und wer denkt, dass das Weihnachtsfest das Fest der Geburt Jesu Christi ist, der irrt. Die Tradition des Weihnachtsfestes ist älter als das Christentum und ist von diesem erst im 4. Jahrhundert n. Chr. aus Gründen der Taktik übernommen worden. Tatsächlich haben schon viele Kulturen diesen Tag als das Wintersonnenwendfest gefeiert.

Wenn wir mal davon ausgehen, dass Jesus eine historische Gestalt gewesen ist, so können die Umstände um seine Geburt nicht eindeutig geklärt werden. Nicht einmal das Jahr, geschweige denn das Datum sind heute bekannt. Die Urchristen haben sich für die Figur Jesu Christi auch nicht besonders interessiert. Stattdessen bereiteten sie sich mit ihrer asketischen Lebensweise ähnlich den heutigen Zeugen Jehovas auf den Weltuntergang vor. Fröhlich zu sein und seinen Geburtstag zu feiern war nicht in ihrem Sinn. Parallel dazu existierten im römischen Reich und um ihn herum mehrere Religionen, die in friedlicher Koexistenz einander die Gottheiten stahlen und sich die Riten absahen.

Etwa im Jahre 70 vor unserer Zeit begann sich in Rom eine neue Religion auszubreiten: der Mithraskult. Mithras war ein aus Persien stammender Sonnengott, der zuerst über Kleinasien und dann über Griechenland nach Rom gelangte. Vor allem die Griechen trugen zur Verbreitung des Kultes bei, da sie Mithras mit ihrem Sonnengott Helios gleichsetzten. Der Mithraskult hielt unaufhaltsam den Siegeszug über das ganze Römische Reich und fand in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz. Insbesondere bei den Legionären und Händlern erfreute sich der Kult großer Beliebtheit.

Der Mithraskult blieb nur Männern vorbehalten, die ihn in sogenannten Mithräen (Grotten) zelebrierten. Die Religionsgemeinde war streng hierarchisch gegliedert, an deren Spitze ein Oberpriester pater patrum (Vater der Väter) stand. Der Mithraskult kannte die sieben Sakramente mit der Taufe, Firmung und Kommunion. Frömmigkeit und Nächstenliebe, Keuschheit und Askese waren in der Mithrasreligion eine große Tugend. Die Gläubigen nannten sich "Brüder", die an die Lehre der Dreifaltigkeit glaubten und die Messe mit einem Kreuzzeichen versehten Hostien und Weihwasser zelebrierten. Sie glaubten an die Unsterblichkeit der Seele, an das letzte Gericht und die Wiederauferstehung und verehrten Mithras als Heiland und Erlöser. Seine Anhänger glaubten, dass er einst wiederkehren würde, um über die Lebenden und die Toten zu richten. Mithras war Gott des himmlischen Lichtes. Sonntag, der Tag der Sonne, war der Tag des Herrn. "Mithras' Höhlentempel befand sich auf den Hügeln des heutigen Vatikans (!) und wurde 376 n. Chr. von der Kirche vereinnahmt."[1] Der Geburtstag von Mithras war der 25. Dezember, Tag der Wintersommerwende, die längste Nacht des Jahres.[2]

Rasant verbreitete sich der Kult über weite Teile des Roms und über seiner Provinzen bis nach Spanien, Germanien und sogar nach Schottland. Über 200 Jahre lang dominierte der Mithraskult die religiöse Welt des späten Römischen Reiches und wurde zur dessen bedeutenden Religion. Unter dem Kaiser Aurelian (270-275) wurde Mithras als "Sol Invictus" zur Staatsreligion erhoben. Diokletian (284-305), bekannt für die gnadenlose Verfolgung der Christen, ernannte Mithras zum "Beschützer des Reichs" (fautor imperii sui). Mithraskult war eine mächtige Staatsreligion, die von der breiten Masse praktiziert und gepflegt wurde. Was läutete dann Mithras' Untergang ein? Dazu müssen wir einen kleinen Ausflug in die Geschichte der Spätantike unternehmen.

Die Zeit des späten Römischen Reiches war von Instabilität und politischen Intrigen gekennzeichnet, die das riesengroße Reich, das weite Teile Europas samt Britannien, Nordafrika und Mesopotamien umfasste, zu spalten drohten. Vor Aurelian herrschten über 50 "Soldatenkaiser" - Herrscher, die von Truppenteilen ausgerufen und wieder gestürzt wurden.[3] Die Wirtschaft war ruiniert, die Republik existierte schon lange nicht mehr.

Als Konstantin 306 von den Truppen zum Augustus ausgerufen und zum Verwalter des Westens (Provinzen Gallien und Britannien) ernannt wurde, hatte er zwei Mitstreiter, gegen die er sich durchsetzen musste: Galerius im Osten, und Severus (Caesar in Pannonien, Italien und Afrika). Die Rivalität unter den Herrschern war groß, ihr Hunger nach Macht unersättlich. 307 wurde Severus von Maxentius besiegt und ermordet. Ein Jahr später wurde die Konferenz von Carnuntum einberufen zur Erneuerung der Tetrarchie, bei der Konstantin und Maxentius die Caesarwürde aberkannt wurde. Man ernannte zwei neue Kaiser: Licinius und Maximinus II, die die unrechtmäßigen Caesaren stürzen sollten. Statt ihrem Auftrag Folge zu leisten, wandten sie sich gegeneinander, wobei Licinius als Sieger hervorging. Konstantin unternahm unterdessen einen Feldzug nach Rom gegen seinen Rivalen Maxentius.

Den Kampf zwischen Konstantin und Maxentius, der Anhänger des Mithraskultes war, stellt man gerne im Licht des Armageddon dar: als einen Kampf zwischen Christen und Heiden, als den Kampf zwischen Gut und Böse. In Wirklichkeit dürfte es den Beteiligten vor 1.700 Jahren um reine machtpolitische Interessen gegangen sein. Konstantin, der von der Ostkirche bis heute als Heiliger verehrt wird, hatte nicht die Frömmigkeit im Sinn, als er mit 40.000 Mann in Italien einmarschierte. Als ein nicht rechtmäßiger Kaiser versuchte er, das Reich im Herzen zu treffen und seine Position zu sichern. Maxentius erwartete den Rivalen mit der Prätorianergarde und einem zahlenmäßig mindestens doppelt so großen Heer vor den Toren Roms.

Der Legende zufolge soll Konstantin kur vor der Schlacht eine Vision von einem Kreuz am Himmel gehabt haben, das eine Aufschrift "In diesem Zeichen wirst du siegen" (In hoc signo vinces) getragen haben soll. In derselben Nacht soll ihm im Traum Christus erschienen sein, der ihm befohlen habe, ein helles Kreuz auf den Schildern seines Heers zu malen, was Konstantin umgehend in die Tat umsetzte. An dieser Legende mag durchaus etwas dran gewesen sein, denn Christen waren in der Bevölkerung und auch in den Legionen zahlreich vertreten. Und als Maxentius' christliche Soldaten das Zeichen ihres Glaubens sahen, könnte es ihre Moral tatsächlich beeinträchtigt haben. Am 28. Oktober 312 wurde Maxentius an der milvischen Brücke vernichtend geschlagen, er selbst ertrank im Tiber, und Konstantin war nunmehr unumschränkter Herrscher des Westens.

Es gibt wenig Hinweise, die darauf deuten, dass Konstantin sich als Christ sah. "Auf dem Triumphbogen, der seinen Sieg an der milvischen Brücke feiert, fehlen zwar die sonst üblichen heidnischen Opfer, aber ebenso alle christlichen Symbole."[4] Dafür fehlen nicht die Siegesgöttin Viktoria und der Sonnengott (!). Zwar nahm er die Christen in Schutz und verabschiedete dazu mit seinem Mitkaiser Licinius die Mailänder Toleranzedikte, aber damit sicherte er nur seine eigenen Interessen, weil er die Potentiale der neuen Religion erkannte. Mit anderen Worten: er instrumentalisierte die Religion, um seine politische Ziele durchzusetzen. Der nicht christliche Kaiser, der dem Christentum zum Durchbruch verhalf, ließ sich erst am Sterbebett taufen, drei Tage vor seinem Tod.

Der Mithraskult durfte weiterhin praktiziert werden, aber in Anbetracht des immer stärker werdenden Gegners war der heidnische Sonnenkult dem Untergang geweiht. Der Kaiser Theodosius (379-395) erklärte das Christentum zur Staatsreligion und brachte damit den Stein des künftigen Genozids ins Rollen. Die immer mächtig werdende Kirche dämonisierte die heidnischen Riten, stieß aber auf wenig Verständnis in der Bevölkerung, die noch immer an ihren traditionellen Göttern hing. Darauf hin machte die Kirche den taktischen Schachzug, die bestehenden Traditionen mit in die eigene Rituale zu integrieren und sie zu assimilieren.

Ursprünglich kannte das Urchristentum "keine größeren kultischen Akte, und die ersten Gottesdienste waren äußerst einfach. Es gab weder Liturgie noch Priester, keinen Altar, keine Opfer."[5] Auch der Sonntag als Feiertag war der jungen Religion unbekannt. Die ersten Christen feierten nur ein Fest - das Passah.[6] Im Jahre 321 führte Konstantin "den Sonntag als gesetzlichen Feiertag ein. Mit dem erstarkenden christlichen Glauben wurde er dann im christlichen Sinn umgewandelt zum 'Tag des Herrn.' "[7]

Die Grundzüge wie die Nächstenliebe, die Kommunion, den Gebrauch von Weihwasser hat man dem Mithraskult entlehnt. Auch die Kommunionfeier, die Lehre der Dreieinigkeit, "die Lichterprozession zu Mariä Lichtmeß gehen auf einen römischen Sühneumzug, das "Amburbale", zurück. [...] Die Bischofsmütze wird [bis heute] übrigens Mitra genannt."[8]

"Im Römischen Reich hatte man in der Zeit vor der Wintersonnenwende [Natalis solis invicti] die Saturnalien als Friedensfest gefeiert und dabei vor allem an die Armen und Sklaven gedacht." Die damaligen Kirchenoberhäupter nutzten dieses Fest und wandelten es zur Legende von Christus Geburt um. Auf dem 2. Konzil von Konstantinopel im Jahre 381 wurde das Weihnachtsfest schließlich zum Dogma erklärt.[9] So wurde aus dem Sonnenkult der Römer das christliche Weihnachtsfest.

Mit der immer stärker werdenden Macht der Kirche begannen die Verfolgungen der Mithrasanhänger, "wohl wegen etlicher Ähnlichkeiten im Kult, der in 'Konkurrenz' zum Christentum stand."[10] "Von der Kirche aufgestachelt, haben die Christen noch im 4. Jahrhundert seine Anhänger überall verfolgt, die Mithräen geplündert [und] die Priester getötet."[11] Nachdem Theodosis im Jahre 392 alle heidnischen Kulte verbot, verschwand bald darauf der Name der alten Religion völlig.[12] Lediglich "in den Alpen und Vogesen konnte sich der Mithrasglaube bis ins 5. Jahrhundert erhalten."[13]

Weihnachten ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken, nicht zuletzt deshalb, weil es zum Motor für die Konsumwirtschaft geworden ist. Gehet und kauft, sagen uns die Werbung und die Politik, und wir fallen wie die Heuschreckenplage über unnütze Dinge her, von denen viele gleich nach der Bescherung in den Müll wandern. Die Besonnenheit und Besinnung verlieren sich zwischen den Regalen, gehen in der Menschenmenge unter. Die Hintergründe der traditionellen Feste, ob christlichen oder heidnischen Ursprungs, interessieren uns wenig. Vielmehr quält uns die Frage, was wir der Tante Hildegard dieses Jahr schenken werden. So schlendern wir die Einkaufsmeile entlang, in der Hoffnung, doch noch einen Einfall zu bekommen, wohl wissend, dass es wieder bei einer kitschigen Vase oder einer Schachtel Pralinen bleiben wird. Fröhliche Weihnachten!

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