Gastbeitrag: Dr. Norbert
Gasch
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4. Zufall oder Absicht?
Natürlich kann jetzt zu jedem einzelnen Stern oder Winkelbogen
behauptet werden: Alles reiner Zufall! Ja, zu den einzelnen
schon. Kaum aber zu der Summe all dieser Entsprechungen.
Man steht hier vor dem gleichen Problem wie ein Kriminalist, der
ein Verbrechen aufklären soll, wobei der Hauptverdächtige aber nicht
spricht. Man muß also Indizien bemühen.
Hier ist es so ähnlich: es ergänzen sich drei Sachverhalte: die
alte südliche große Mondwende, der Sternhimmel und das modernere
Mondwendenpaar, wobei die Betrachtung stets von der „Sonne“ ausgeht.
Was den Sternhimmel angeht, so kann man sich der Beurteilung der
möglichen Zufälligkeit nähern, in dem zunächst einmal festhält, daß
das Auftreten der hellsten Sterne als Azimutwerte auf der
Scheibe von großer Bedeutung ist. Helle Sterne sind besser zu
beobachten, gleichzeitig aber auch seltener am Himmel. Diese
Einschränkung macht logisch Sinn. Wie zufällig sind also
Sternscheiben, die die Azimutwerte für die hellsten sichtbaren
Sterne zeigen?
Statistisch kann man so vorgehen:
Setzt man bei den Azimutwerten eine allgemeine Toleranz von zwei
Grad voraus, so kann man sich nebra-ähnliche Azimutverteilungen
generieren, in dem man eine Zufallszahl zwischen 0 und 1 erzeugt und
mit 90 multipliziert. Man simuliert so die Verteilung auf einer
Seite der Scheibe (die auf der anderen wäre spiegelbildlich, weil
die Auf- und Untergangsazimute ja zusammenhängen), wobei sich die
Zahl 90 daraus ergibt, daß 90 jeweils zwei Grad weite Sektoren auf
einer halben Kreisfläche Platz haben.
Die Wahrscheinlichkeit, mit einem zufällig generierten Azimutwert
irgendeinen Azimut auf der halben Scheibe zu treffen, ist natürlich
eins, da es keine Lücken gibt. Die Wahrscheinlichkeit, einen
bestimmten Wert zu treffen, ist:
Zieht man die 130 hellsten Sterne bis zur 3.
Größenklasse am Himmel heran, so stellt man fest, daß diese
Aufgangsazimute besitzen, die die halbe Scheibe ebenfalls lückenlos
füllen. Man wird also mit jedem Zufallswurf den Azimutwert für
irgendeinen Stern treffen.
Ein bestimmter Stern wie
Sirius wird also in 1,1 Prozent aller simulierten Nebra-Scheiben
zufällig getroffen. Das ist keineswegs selten.
Bei rund 130 helleren Sternen gibt es also immer
irgendwelche Treffer, wenn man 15 Sternazimute, wie man sie ja auch
auf der Scheibe problemlos findet, durch Zufallszahlen simuliert.
Entsprechungen nur für schwächere Sterne sind damit vollkommen
uninteressant: sie treten immer auf.
Wie sieht es aber aus, wenn zwei bestimmte helle
Sterne auf einer simulierten Scheibe vorkommen sollen? Das Problem
ist bekannt und läßt sich anhand von Variationen ohne
Wiederholungen aus der Kombinatorik ähnlich lösen wie die Frage,
mit welcher Wahrscheinlichkeit bestimmte Lottozahlen gezogen werden.
Das Prinzip basiert im wesentlichen auf der Regel, daß sich
Wahrscheinlichkeiten, die eine „oder“-Verknüpfung aufweisen,
multipliziert werden. Außerdem kommen die hellen Sterne, ähnlich wie
Lottozahlen, jeweils auch nur einmal pro Wurf vor.
Hierzu dient der Ansatz für die Möglichkeiten Q:
Die Variable k ist hier 90, r steht für die Anzahl
der Sterne, die simultan in dem Zufallswurf vorkommen müssen, das
Ausrufezeichen bezeichnet die Fakultätsfunktion. Wie man weiß, ist
beispielsweise 4! = 1·2·3·4 = 24. Setzt man hier k=49 und r=6 ein,
erhält man die bekannten 13,9 Millionen Möglichkeiten.
Die Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Variation
ist der Kehrwert der Möglichkeiten
Es folgt daraus
P1 = [1!(90-1)!]/90!=1,11·10-2 |
für einen bestimmten Stern, etwa Sirius (das hatten
wir oben schon, nur anders ausgedrückt).
P2 = [2!(90-2)!]/90!= 2,50·10-4 |
für zwei bestimmte Sterne, etwa Sirius und Capella.
P3 = [3!(90-3)!]/90!= 8,51·10-6 |
für drei bestimmte Sterne, hier etwa Sirius, Capella
und Rigel.
Wie man sieht, sind simulierte Scheiben, die Sirius,
Capella und Rigel als Azimutwert enthalten, schon nicht mehr so
häufig.
Als nächstes kommen Beteigeuze, Altair und Spica.
Die sind auch vertreten. Antares und Aldebaran liegen unweit der
Beteigeuze im Azimut. Es könnte sein, daß aus Platzgründen nicht
alle Visuren dargestellt sind, und dieser Umstand wird hier so
gewertet, daß die Wahrscheinlichkeit als Summe, nicht als Produkt,
betrachtet wird, weil die logische Verknüpfung „und“ vorliegt: für
Aldebaran und Antares und Beteigeuze ergeben sich im ungünstigsten
Fall (also: möglichst große Wahrscheinlichkeit) zusammen 3/90, also
1/30.
Das macht also:
P4 = [3!(90-3)!]/90!·1/30= 2,83·10-7 |
Setzt man drei Grad Toleranz an, so folgt:
P4 = [3!(60-3)!]/60!·1/20= 1,46·10-6 |
Mit fünf Grad Toleranz bewegt man sich immer noch
bei:
P4 = [3!(60-3)!]/60!·1/20= 1,17·10-5 |
Mit anderen Worten: simulierte Scheiben, die
auffällig viele der hellsten sichtbaren Sterne zeigen, sind ziemlich
selten, auch wenn einige der hellsten Sterne mehrdeutig sind und
diese Mehrdeutigkeit zu ungunsten der hier aufgestellten Hypothese
aufgefaßt wird. Infolgedessen ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich
gering, daß die auf der Scheibe aufgefundenen Azimutwerte zufällig
sind. Es handelt sich eher um eine absichtliche Darstellung.
Grundsätzlich ist anzumerken, daß statistische
Betrachtungen (auch diese) keinen Beweis für eine physischen
Zusammenhang zwischen korrelierten Daten (hier: die Punkte auf der
Scheibe und die Sternen am Himmel) liefern. Man kann sie aber im
Kontext als Indiz betrachten: Wenn auf der Sternenscheibe der Mond
auftritt, dann können die kleinen, runden Punkte durchaus als Sterne
interpretiert werden. Hier ergibt diese Betrachtung zusammen mit der
der Mondwenden ein stimmiges Bild.
(c) Dr. Norbert Gasch
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