Aggression: Unterschied zwischen den Versionen

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#'''Reizbarkeit'''<br>Psychologische Bereitschaft zum Angriff. Wird in Form von kurzen, groben Antworten geäußert.
#'''Reizbarkeit'''<br>Psychologische Bereitschaft zum Angriff. Wird in Form von kurzen, groben Antworten geäußert.
#'''Misstrauen'''<br>Eine Grundeinstellung zu Mitmenschen, dass sie einem nichts "Gutes" wünschen. Rührt möglicherweise aus der Projektion der eigenen Gedanken auf andere. Der Volksmund sagt dazu: "Was ich selber denk und tu, trau ich jedem anderen zu."
#'''Misstrauen'''<br>Eine Grundeinstellung zu Mitmenschen, dass sie einem nichts "Gutes" wünschen. Rührt möglicherweise aus der Projektion der eigenen Gedanken auf andere. Der Volksmund sagt dazu: "Was ich selber denk und tu, trau ich jedem anderen zu."
#'''Grollen'''<br>Wut und Neid auf andere wegen tatsächlichen oder in der Vorstellung ausgemalten Handlungen, die als Angriff empfunden werden. Oftmals rührt der Groll aus falschen, nicht erfüllten Erwartungen an andere.
#'''Grollen'''<br>[[Wut]] und [[Neid]] auf andere wegen tatsächlichen oder in der Vorstellung ausgemalten Handlungen, die als Angriff empfunden werden. Oftmals rührt der Groll aus falschen, nicht erfüllten Erwartungen an andere.
#'''Schuldgefühle (Autoaggression)'''<br>Autoaggression wird durch Gefühle hervorgerufen, die der Betroffene auf sich selbst aus tatsächlichen oder erdachten Handlungen selbstreflektorisch richtet.
#'''Schuldgefühle (Autoaggression)'''<br>Autoaggression wird durch Gefühle hervorgerufen, die der Betroffene auf sich selbst aus tatsächlichen oder erdachten Handlungen selbstreflektorisch richtet.



Version vom 20. Juli 2021, 16:49 Uhr

 

Aggression gehört zu den lebenswichtigen Verhaltensformen im Tierreich. Sie ist förderlich im Überlebenskampf eines Individuums sowie einer Art, im Kampf um Ressourcen und um die Vermehrung. Aus der Sicht der Evolution stellt Aggression prinzipiell nichts Schlechtes oder Destruktives dar. Definitionsgemäß versteht man unter Aggression jede Handlung, die mit Gestaltung des Lebensraums zugunsten eines Individuums in Zusammenhang gebracht werden kann. Das gibt einem Lebewesen die Möglichkeit, einen Platz in der Umwelt zu sichern, das sprichwörtliche „Platz an der Sonne“. In der Basis der Aggression liegt eine Notwendigkeit des Überlebens.

Aggression beim Menschen

Hauen mit der Faust auf den Tisch ist eine häufige Äußerung der Aggression im Alltag.

Beim Menschen ist Ausübung von Aggression durch soziale Normen und Erziehung eingeschränkt. In den meisten Gesellschaften wird aggressives Verhalten geächtet und nur in rituellen Handlungen wie im Tanz oder im Sport zugelassen. In gewissen archaischen Subkulturen wird Aggression mit männlichen Attributen assoziiert. Die Ordnung wird dort durch starre Hierarchien bestimmt und Aggressionen, ähnlich wie bei Ratten oder Schimpansen, gegen Mitglieder fremder Gemeinschaften gerichtet.

Aggression ist genetisch vorbestimmt und unterscheidet sich zwischen den Arten. Aggres­sives Verhalten ist nicht nur Raubtieren gemein, sondern auch Pflanzenfressern. Man denke dabei nur an die Paarungskämpfe der Hirsche oder an eines der aggressivsten Tiere Afrikas - das Flusspferd. Wenn man ein Maß der Aggressivität einer Spezies festlegen will, so wird das aggres­sive Verhalten innerhalb der eigenen Art als Maßstab gelegt und nicht artfremden Tieren gegenüber. In dem Fall wären Raubtiere klare Gewinner. Sie jagen und töten aber nur zum Zweck der Nahrungsmittelbeschaffung.

Ein spanisches Wissenschaftlerteam um José María Gómez von der Estación Experimental de Zonas Áridas in Almería hat sich zum Ziel gesetzt, das aggressive Verhalten unterschiedlicher Arten zwischen den Artgenossen auszu­werten, um einen Vergleich ziehen zu können. Aggressives Verhalten wird gegen die Vertreter der eigenen Art bewertet, weil deren Individuen in gegenseitiger Konkurrenz stehen. Im Zuge der Studie wurden dokumentierte Fälle artinterner Gewalt mit tödlichem Ausgang von 1024 Tierarten ausgewertet. Anhand der Daten konnten die Forscher eine Skala der Gewalt für Tiere erstellen, die ihre Artgenossen bei Streitigkeiten, Raserei oder Revierkämpfen töteten. Am evolutionären Ursprung lag der errechnete Wert bei 0,3 Prozent. Das heißt, dass drei Tiere von Tausend gewaltsam durch Aggressionen der Artgenossen getötet wurden. Das änderte sich mit dem Auftauchen der Primaten. Zu den aggressivsten Primatenarten zählen heute die Schimpansen. Bei ihnen liegt die Rate der im Kampf getöteten Vertretern der eigenen Art bei 4,5 Prozent! Bei Menschen beträgt der Wert der letalen Aggression immer noch zwei Prozent. Somit gehören Affen und Hominiden zu den aggressivsten Säugetieren. Ein Durchschnittswert für die Säugetiere liegt übrigens bei 1,5 Prozent. Vielleicht verschaffte das erhöhte Aggressionspotential dem Menschen einen evolutionären Vorteil. Fakt ist aber, Aggression ist ein fester Bestandteil des menschlichen Wesens.[1]

Psychologie der Aggression

Die Definition von Aggression im menschlichen Verhalten ist nicht einfach, weil die Ursachen und die Formen der Aggressionsausübung sehr vielschichtig sind. Die Aggression kann qualitativ und quantitativ unterschiedliche Formen annehmen. Wie jeder Ausdruck der Psyche, kann die Aggression in unterschiedlichen Stufen auftreten. Jede Persönlichkeit hat ihr eigenes Aggressionsprofil. Ein scheinbares Fehlen der Aggression wird als Passivität empfunden, eine mäßige, richtig gelenkte Aggression assoziieren wir mit Dynamik und Erfolg. Übermäßige Aggression außerhalb sozialer Normen schreiben wir konfliktsüchtigen Menschen zu, mit denen ein Konsens schwierig ist. Die russischen Psychologen A. Bass und A. Darki unterschieden die Aggression als reine Reaktion oder als psychisches Merkmal eines Individuums. Sie entwickelten 1957 einen Aggressionstest, in dem sie zwischen acht Aggressionstypen unterschieden:[2]

  1. Physische Aggression
    Bei einer Konfliktbewältigung wird die physische Gewalt angewendet.
  2. Verbale Aggression
    Negative Gefühle werden mittels Sprache in Form von Anschreien, Beleidigungen oder Drohungen zum Ausdruck gebracht.
  3. Indirekte Aggression
    Über jemanden schlecht reden, witzeln, nicht ernst nehmen, Gerüchte in die Welt setzen oder Zurschaustellung heftiger emotionaler Reaktionen wie unzufriedene Laute von sich geben oder auf den Tisch mit der Faust hauen.
  4. Negativismus
    Ablehnende Haltung gegenüber Autoritäten, Gesetzen und Normen.
  5. Reizbarkeit
    Psychologische Bereitschaft zum Angriff. Wird in Form von kurzen, groben Antworten geäußert.
  6. Misstrauen
    Eine Grundeinstellung zu Mitmenschen, dass sie einem nichts "Gutes" wünschen. Rührt möglicherweise aus der Projektion der eigenen Gedanken auf andere. Der Volksmund sagt dazu: "Was ich selber denk und tu, trau ich jedem anderen zu."
  7. Grollen
    Wut und Neid auf andere wegen tatsächlichen oder in der Vorstellung ausgemalten Handlungen, die als Angriff empfunden werden. Oftmals rührt der Groll aus falschen, nicht erfüllten Erwartungen an andere.
  8. Schuldgefühle (Autoaggression)
    Autoaggression wird durch Gefühle hervorgerufen, die der Betroffene auf sich selbst aus tatsächlichen oder erdachten Handlungen selbstreflektorisch richtet.

Ursachen der Aggression ist Angst, der oftmals ein geringes Selbstwertgefühl vorangeht. Andere Faktoren sind Frustration, ein Gefühl der Ohnmacht. Oftmals ist es nicht immer einfach zu erkennen, ob man Opfer oder Aggressor ist (siehe Dramadreieck). Auf dieser Grundlage fußen Streitigkeiten. Aggressive Menschen fühlen sich zutiefst beleidigt. Eine als ungerecht empfundene oder interpretierte Situation muss deshalb mit Hilfe der Aggression gelöst werden.

Latent aggressive Menschen erkennt man oft rein äußerlich. Anhand der Bewegungen, an der Gestik, am Sprachgebrauch, an der Tonlage der Stimme. Auch an der etwas nach vorn gerichteten Körperhaltung und einem nach unten gerichteten Kinn merkt man Menschen eine Bereitschaft zur Aggression an. Auch Unfreundlichkeit, wenn Menschen nicht grüßen und nicht lächeln, ist auch eine Form von aggressivem Verhalten.

Eine Aggression ist eine Reaktion auf Reize von außen. Aggressive Menschen haben häufig Defizite im Einfühlungsvermögen. Deswegen unterstellen sie anderen Menschen negative Motive, wodurch sie noch mehr in eine Aggressionsspirale geraten.

Aggressionsbewältigung

Bei der Beurteilung des Aggressionslevels darf so etwas wie das Temperament eines Menschen nicht außer Acht gelassen werden. Das Temperament ist ein Konstrukt aus Veranlagung und frühkindlicher Erziehung. Es ist Teil der Persönlichkeit und des Wesens. Wenn ein Mensch in Stresssituationen impulsiv reagiert, behält er dieses Verhalten ein Leben lang. Längst haben Forscher das sogenannte MAOA-Gen, ein „Aggressionsgen“ isoliert. Menschen, die über diese Variante des Gens verfügen, sind nicht zwangsläufig aggressiv, sind aber für aggressives Verhalten anfälliger, wenn sie in der Kindheit mit entsprechenden Verhaltensmuster konfrontiert wurden.[3] In Laborstudien an Ratten wurden Jungen mit Aggressionsgen ruhigen Rattenmüttern untergeschoben, die das Junges ihrem Wesen entsprechend aufzogen. Anders als die ruhige Mutter reagierten die Jungen im adulten Alter in Stresssituationen weiterhin aggressiv.[4]

Die beste Bewältigung der Aggression ist das Lachen. Paare, die nach einem Streit schnell zueinander finden und miteinander lachen, aktivieren Endorphine und finden eher zu Normalität als Paare, die einen Streit ernst "aussitzen". Die beste Möglichkeit ist dabei, spielerisch zu raufen, sich zu kitzeln. Dies hat zwei Effekte: Lachen und Körperkontakt.

Weitere Definitionen der Aggression

„Als Aggression kann jede Handlung bewertet werden, die einem anderen Menschen physischen oder psychischen Schmerz bereitet.“ David Matsumoto, US-amerikanischer Judoka und Psychologe

„Aggression ist eine Verhaltensform, die eine zielgerichtete Beleidigung oder einen Schaden einem anderen Lebewesen zufügt, das eine solche Behandlung nicht möchte.“ John Richardson, Baron Richardson, britischer Arzt

„Aggression ist ein zielgerichtetes, zerstörerisches, offensives Verhalten, das gegen die sozialen Normen und Regeln gerichtet ist […] Die einer aggressiven Handlung ausgesetzten Menschen fühlen physischen und psychischen Diskomfort sowie negative Empfindungen, die einen Zustand der Angst, Anspannung und Niedergeschlagenheit hervorrufen.“ Semenjuk, 1991; Enikolopow, 1994

Konrad Lorenz, der Hauptvertreter der klassischen vergleichenden Verhaltensforschung, verglich Aggression in seinem gleichnamigen Werk direkt mit dem Sexualtrieb. Weiterhin war Lorenz überzeugt, dass Aggression angeboren ist und der Arterhaltung dienen.

Siegmund Freud hielt Aggression für einen Trieb. Wenn die Befriedigung der Lüste nicht erfolge – dazu können Triebe wie Essen oder Sexualität zählen –, entstehen Unlüste, die Aggression hervorrufen. Der US-amerikanische Psychologe John Dollard war der Überzeugung, Aggressionen würden aus der Frustration heraus entstehen (siehe Frustrations-Aggressions-Hypothese). Der kanadische Psychologe Albert Bandura glaubt, dass aggressives Verhalten durch Sehen und Nachahmung erlernt wird. Derselben Ansicht war auch der deutsch-US-amerikanischer Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm.

Trivia

  • Untersuchungen haben gezeigt, dass Probanden auf Fotos mit männlichen aggressiven Gesichtern Bilder mit Bart als noch aggressiver einstuften, obwohl es sich an das gleiche Gesicht handelte.
  • Die Wurzeln der Aggression sind teils genetisch festgelegt, teils kulturell bedingt. Verschiedene Völker und Kulturen haben ein unterschiedliches Aggressionspotential.[5] So haben beispielsweise die Tibeter eine ganz andere Einstellung zur Aggression als das Kriegervolk Maori, bei denen Aggression von Klein auf in Tanz und Mimik zelebriert wird.


Siehe auch

Quellennachweise