Häuser und Wohnungen in der Sowjetunion

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Wohnsituation in der UdSSR

Als ehemaliges Agrarland gab es im Zuge der Industrialisierung und Zentralisierung rasant wachsende Städte. Der Wohnraum war knapp und sehr gefragt. In der rund siebzig Jahre andauernden Geschichte der Sowjetunion entwickelten sich mehrere architektonische Stile und Lösungen, die stellvertretend für die jeweilige Epoche standen.


Kommunalki

Kommunalki (vom Wort Kommune) waren Wohnungen, die von mehreren Familien bewohnt wurden. Ähnlich den WGs in Deutschland. Um der Flut der Landbevölkerung in die Städte Herr zu werden, musste Wohnraum geschaffen werden. Teilweise wurde er realisiert, indem man die Arbeiterfamilien in geräumige Wohnungen der enteigneten mittelständischen Bürger der vorrevolutio¬nären Zeit steckte. Eine Familie bekam in der Regel nur ein Zimmer. Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten wurden auf engstem Raum zusammengepfercht. Die alten Wohnungseigentümer wurden entweder vertrieben oder mussten ihre Wohnungen mit neuen Untermietern teilen. Der Staat setzte die zumutbare Wohnfläche für einen Menschen mit 9 m2 an. Bald wurde sie auf 6,5 m2 reduziert. Küche und die sanitären Einrichtungen mussten unter den Parteien geteilt werden. Vor allem morgens sorgte ein gemeinsames Bad und WC für zahlreiche Konflikte.

Obwohl in einer Wohnung oft mehrere Großfamilien aller Generationen lebten, besaß die Wohnungstür nur eine Klingel. Kurios war dabei der Umstand, dass neben der Klingel ein Zettel mit Anweisungen hing, wie oft für welche Familie geklingelt werden musste.

Baracken

Baracken sind einfache, aus Holz gebaute Häuser mit einem oder zwei Geschossen. Die meisten Baracken entstanden in wachsenden Städten um die Industrieanlagen und nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein meist in der Mitte angeordneter Flur verband mehrere Wohnungen. In den Wohnungen selbst stand ein Kanonenoffen, auf dem gekocht und mit dem auch geheizt wurde. Die Toiletten waren draußen. Wasser musste aus einem Brunnen geholt werden.

Die Häusertypen wurden im Volksmund nach Namen der regierenden Parteiführer genannt, in deren Ära sie gebaut wurden.

Stalinki: (1930-1950). Genannt nach Josef Stalin. Geräumige, helle Wohnungen im Stil von neoklassizistischen Stadtvillen. Nach dem Krieg wurden viele solcher Häuser von kriegsgefangenen deutschen Soldaten gebaut. Es gibt Gebäude aus dieser Zeit auch mit einer schlichteren Fassade. Typisch für Stalinki ist: hohe Geschosse, geräumige Treppenhäuser mit einem Treppenauge, oftmals C-förmige Bauweise oder komplett eingeschlossene Innenhöfe mit einer Durchfahrt.

Chruschewki (1950-1965): Genannt nach Nikita Chwuschew. Kompakte, minimalistische Wohnblöcke. Meist in Paneelbauweise errichtet, waren sie kostengünstig und recht schnell zu bauen. Gebaut wurden sie am Rand schnell wachsender Industriestädte. In die neuen Siedlungen wurden entsprechend Kindergärten und Schulen integriert. Die Wohnungen in Chruschewkas waren klein, die drei- bis vierstöckige Häuser besaßen keinen Fahrstuhl. Sie hatten niedrige Decken und sehr kleine Küchen, die teilweise 4,5 m² maßen. Eine Einzimmerwohnung hatte eine Fläche von 30 m². Typisch für die Chruschewkas war ein eingebauter Wandschrank unter dem Küchenfenster. Die Wärmeversorgung in Chruschewkas war meist dezentral über gasbetriebene Durchlauferhitzer. In Deutschland gibt es übrigens analoge Bauten in alten Arbeitersiedlungen, die meist zwischen 30er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden.

Breschnewki (1965-1985): Genannt nach Leonid Breschnew. Mit dem Bau der Hochhäuser des Typs Breschnewki begann man in der zweiten Kälte der 1960er Jahre. Sie wurden zum Symbol des goldenen Zeitalters des Sozialismus - der ruhigen Zeit der langsamen Stagnation der Breschnew-Ära. In den Vororten entstanden neue, für die damalige Zeit moderne Bezirke mit kilometerlangen Kolonnen des neuen Häusertyps. Manche Planer zauberten durch die Aufstellung dieser Häuser interessante Muster oder Symbole des Kommunismus, was erst aus der Luft sichtbar wurde.

Breschnewki waren wesentlich komfortabler als Chruschewki. Die Wohnungen waren geräumiger, in jedem Hauseingang war ein Fahrstuhl und ein Müllschacht. Ein Müllschacht erwies sich jedoch oftmals als problematisch, weil er Ratten und Kakerlaken anzog. In der Regel waren sie mittels Fernwärme zentral beheizt. Die zentrale Wärmeversorgung war nicht immer von Vorteil. In der Übergangszeit konnte es passieren, dass die Heizung planmäßig ausgeschaltet wurde, obwohl es draußen immer noch kalt war.

Besonderheiten der sowjetischen Bauten.

In den meisten Häusern waren Doppelfenster eingebaut. Allerdings nicht die Art von Zweifachverglasung, wie man sie in Deutschland kennt. Die russischen Fenster bestanden aus zwei doppelten Rahmen, zwischen denen ein einige Zentimeter breiter Hohlraum befand. Über den Winter wurde dieser Hohlraum im unteren Bereich mit Watte gefüllt. Die Watte dichtete etwas die Fugen ab und sah entsprechend der Jahreszeit wie Schnee aus. Manche haben die Watte oben mit Lametta oder ähnlichem Schmuck dekoriert.

Eine weitere Besonderheit der russischen Fenster ist die sogenannte Fortotschka. Sie wurde in erster Linie zum Lüften benutzt. Manche Mieter bauten in die Öffnung der Fortochka eine Blechbox ein, die im Winter zusätzlich als Gefrierschrank diente.