Irren ist … wissenschaftlich

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Wie kann ich Sinn und Unsinn auseinanderhalten?

Was sich die Menschen einbilden, ist gleichgültig. Lediglich die Erkenntnis der Dinge ist von Bedeutung. Sie allein macht unsere Schlußfolgerungen wertvoll.

John Locke, "Über den menschlichen Verstand"

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die heute unser Weltbild prägen, kamen meist nicht spontan, und schon gar nicht in einem Zug. Es war ein langwieriger Prozess, der sich über Generationen hinweg zog und auf der Grundlage seiner Vordenker baute. Jede Erkenntnis, die wir heute als selbstverständlich erachten, hatte einen langen Entwicklungsweg, der nicht selten in eine Sackgasse mündete und ein Umdenken erforderte.

Da wir uns in diesem Sonderbeitrag ausgiebig mit Pseudo- und Parawissenschaften beschäftigt und die Hintergründe ihrer Entstehung und ihres Fortbestehens erläutert haben, ist es an dieser Stelle der Fairness halber angebracht zu erwähnen, dass auch die Wissenschaftler – sogar die größten unter ihnen – sich nicht nur irren, sondern sich teilweise in absurdesten Erklärungen verlieren können, die aus heutiger Sicht lächerlich und albern erscheinen. Diese Übersicht listet einige Fälle vom wissenschaftlichen Irrtum auf.

Johannes Kepler

Johannes Kepler

Johannes Kepler, der größte Astronom des 16./17. Jahrhunderts, Entdecker der nach ihm benannten Keplerschen Gesetze, verdiente seinen Lebensunterhalt unter anderem mit Erstellung von Horoskopen. Als er erfuhr, dass der italienische Astronom Galileo Galilei mit seinem kürzlich erfundenen Fernrohr vier Jupitermonde entdeckt hat, schloss er sofort daraus, dass aufgrund einer vermeintlichen (göttlichen) Ordnung im Kosmos der Mars zwei Monde besitzen müsse, wenn die Erde nur einen und [[Jupiter vier hat.[1] Zufälligerweise hatte er zwar recht, was die Anzahl der Monde betraf, aber die Schlussfolgerung war, wie wir heute sehen, außerhalb jeder objektiver Logik.

Christiaan Huygens

Christiaan Huygens

Einer der größten Physiker und Astronomen des 17. Jahrhunderts Christiaan Huygens glaubte ebenfalls an die Astrologie. Er kombinierte beispielsweise den astronomischen Fakt, dass Jupiter vier Monde besitze, und den astrologischen Aberglauben, dass der Erdmond Schützling der Seeleute sei, und "folgerte", dass die Oberfläche des Jupiter mit ... Hanf bedeckt sein müsste, dem Rohstoff für die damaligen Segel.[2] Heute wissen wir, dass der Jupiter überhaupt keine feste Oberfläche hat, weil er größtenteils aus Wasserstoff und Helium besteht. Die recht lebensfeindliche magnetische Strahlung, die der Gasgigant induziert, würde komplexe organische Moleküle ziemlich schnell zerstören.

Wilhelm Herschel

William Herschel

Der bekannte englische Astronom Wilhelm Herschel nahm an, dass die Sonne bewohnt sei, und die Sonnenflecken seien Durchlässe in den hellgrellen Wolken, die sonst dunkle Oberfläche unseres Muttergestirns verhüllen. Durch diese "Durchlässe" könnten die hypothetischen Bewohner den nächtlichen Sternenhimmel bewundern. Auch Newton war der Ansicht, dass die Sonne bewohnt sei.[3]

Isaak Newton

Isaak Newton

Isaak Newton, einer der größten Genies der Renaissance, Vater der klassischen Mechanik und Erfinder des nach ihm benannten Spiegelteleskops, glaubte, dass sich hinter der von ihm aufgestellten Gravitationstheorie die Kraft Gottes steckt, die alles zusammenhält. Er versuchte auch, ganz im Zeichen der modernen Kreationisten, "die geologischen Beweise für das hohe Alter der Erde mit der biblischen Geschichte der Schöpfung in sechs Tagen zu vereinbaren. Er vertrat die Ansicht, die Erde habe sich damals sehr langsam gedreht, sodass „Tage“ von jeder beliebigen Länge entstehen konnten. Aber er fand nicht heraus, wie sich die Rotation nach den Naturgesetzen auf Tage von jeweils 24 Stunden beschleunigen konnte, und deshalb behauptete er, Gott selbst habe daran gedreht."[4]

Er verfasste ebenfalls Arbeiten "in christlicher Theologie und in der Alchemie. In der Theologie vertrat Newton eine antitrinitarische Ansicht. Neben seinen physikalischen Arbeiten verbrachte er auch viel Zeit mit der Suche nach dem Stein der Weisen."[5] Newton war nicht der einzige Gelehrte seiner Zeit, der glaubte, mit Hilfe der Alchemie Wunder vollbringen zu können. Er tauschte sich regelmäßig auch mit Robert Boyle, einem Mitbegründer der modernen Physik und Chemie, über die Alchemie aus. Zu seiner Zeit war die Grenze zwischen Natur- und Pseudowissenschaft fließend.

Jean-Baptiste de Lamarck

Jean-Baptiste de Lamarck

Jean-Baptiste de Lamarck, einer der bedeutendsten Biologen des 19. Jahrhunderts, der den Begriff Biologie prägte, ist vor allem durch seine Arbeiten zur Vererbungslehre bekannt. Er war einer der ersten, der erkannte, dass die Arten, wenn man die Fossilien studierte, nicht konstant bleiben konnten, sondern sich im Laufe der Zeit wandeln mussten. Er war jedoch überzeugt, dass dies nicht aufgrund zufälliger Mutationen geschehe - was man damals noch nicht wissen konnte -, sondern sich durch die Vererbung erworbener Eigenschaften zutragen müsse. Das bekannteste Beispiel für dieses Modell ist der berühmte Giraffenhals. Nach Lamarck heißt es, dass Giraffen, die den Hals strecken, um höherliegende Äste zu erreichen, würden ihn an die Nachkommen vererben. Wenn das stimmen sollte, müsste es heißen, dass auch "ein Schmidt, der stärkere Arme durch seine Arbeit bekommt, diese auch an seine Söhne vererben müsste."[6]

Zwar waren seine Vorstellungen grundlegend falsch, aber seine Theorie von der Wandlungen der Arten inspirierte Charles Darwin, der die moderne Evolutionstheorie entwickelt und in seinem Buch "Vom Ursprung der Arten durch Mittel der natürlichen Selektion" niedergeschrieben hat.

Mit Dampfmaschine zum Mond

Buchcover von "Von der Erde zum Mond"

Bereits im 19. Jahrhundert hat man ernsthaft darüber diskutiert, einen Flug zum Mond durchzuführen. Als möglicher Antrieb für das Raumfahrzeug kam eine ... Dampfmaschine in Frage. Noch etwas früher haben einige SF-Autoren Menschen mit einen Heißluftballon zu unserem Trabanten befördern wollen. Einer der ersten, der Raketentechnik für interplanetare Reisen in Betracht zog, war der französische Science-Fiction-Autor Jules Verne. In seinem Roman Von der Erde zum Mond"" reisen drei Protagonisten in einer Kanonenkugel, die aus Florida aus in Richtung Mond abgefeuert wurde.

William Thomson

William Thomson, 1. Baron Kelvin

William Thomson, Baron Kelvin of Largs, britische Physiker des 19./20. Jahrhunderts, nach dessen Namen die Temperatureinheit Kelvin benannt wurde, war Darwins Selektionstheorie gegenüber ablehnend eingestellt. Seine kritische Haltung rührte daher, weil er versucht hatte, die Abkühlungsgeschwindigkeit eines Körpers von der Größe der Erde zu berechnen. Er kam zu dem Schluss, dass die Erde "nicht älter als 100 Millionen Jahre alt sein könne, am ehesten wohl 24 Millionen Jahre."[7] ("Er hatte [ebenfalls] angenommen, dass die Sonne leuchtet, weil Meteoriten und andere Trümmer aus dem All in sie hineinfallen. Zu seiner Zeit gab es in der Physik noch nicht das geringste Verständnis für thermonukleare Reaktionen; sogar das Vorhandensein eines Atomkerns war unbekannt."[8])

Ein paar Dutzend Millionen Jahre war entschieden zu kurz, damit die von Darwin postulierte Evolution stattfinden konnte. ("Noch im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts nahm man an, dass die Erde nur 100 Millionen [...] Jahre alt sei und dass die Säugetiere vor nur drei Millionen (statt 65 Millionen) Jahren an die Stelle der Dinosaurier getreten seien."[9]) Erst mit der Entdeckung der Radioaktivität konnte das richtige Alter der Erde exakt bestimmt werden.

"Eine Datierung, welche auf dem radioaktivem Zerfall von Uran beruht[e], wurde zuerst 1905 durch Ernest Rutherford vorgeschlagen." Allerdings waren die Versuche, das Alter von Gesteinen über das Endprodukt des Uranzerfall zu Blei zu bestimmen, noch fehlerhaft, weil sie auf chemischen und nicht auf Isotopen-Verhältnissen angestrebt wurden. "Isotope waren damals noch unbekannt." Erst die Entwicklung der Atombombe "führte auch zur Entwicklung von verbesserten Techniken zur Bestimmung von Isotopenverhältnissen und des Verständnisses des Uranzerfalls, was die Entwicklung der Uran-Blei-Datierungstechnik stark beschleunigte. 1953 publizierte C.C.Patterson das bis heute akzeptierte Alter der Erde von 4,55 Milliarden Jahren."[10]

Quellennachweise