Sinti und Roma – ein Volk ohne Land

Aus Wiki.sah
Version vom 10. September 2021, 19:57 Uhr von IPro (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Der Begriff "Zigeuner", der bei dem gemeinten Volk als diskriminierend gilt, weil sie sich so nicht bezeichnen, geht wahrscheinlich auf das griechische Wort atsínganoi zurück und bedeutet so viel wie "Unberührbare". Sie nennen sich selbst Sinti oder Roma. Ihre Sprache Romani oder Romanes gehört nach dem Grundwortschatz und der Grammatik zu der Familie der neuindoarischen Sprachen. Heute leben in der Bundesrepublik Deutschland etwa 100.000 Sinti und Roma. Die meisten von ihnen sind deutsche Staatsbürger und führen entgegen aller Vorurteile und im Kopf verankerten Vorstellungen ein sesshaftes Leben.

Sinti und Roma wurden zwischen 800 und 1000 n. Chr. durch einströmende arabische Volksstämme zur Auswanderung aus Indien gezwungen. Sie ließen sich überwiegend auf dem Balkan und in Osteuropa nieder. Da die Aufnahmebereitschaft und Duldung Fremder bei den meisten Völkern relativ begrenzt ist, waren Sinti und Roma zum Wanderleben gezwungen. Zwischen 1400 bis 1500 erreichten sie Westeuropa und Deutschland.

Auch hier war die Gastfreundschaft von relativ kurzer Dauer. Ab 1590 begann eine per Gesetz angestiftete Verfolgung gegen Sinti und Roma mit einem sog. "Mandat wider die Zigeuner", erlassen durch den Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg. Dem folgten weitere Verordnungen, wie das 1663 von dem Kurfürsten Wilhelm von Brandenburg erlassenes "Edikt wider die Zigeuner" und vom König Friedrich I. in Preußen im sog. "Geschärfften Edikt wegen der Zigeuner", in dem er befahl, "Zigeunergalgen" an allen Grenzübergängen als Abschreckung aufzustellen.

Im nationalsozialistischen Deutschland erlebte der Antiziganismus eine neue Blüte. Neben der jüdischen Bevölkerung wurden auch Sinti und Roma Opfer massiver Verfolgung und Massendeportationen. Rund eine halbe Million Sinti sind in den Konzentrationslagern ermordet worden. Abergläubische Vorstellungen und Vorurteile gegen Sinti haben bis in die jüngste Zeit hinein überlebt. 1991 kursierte in den Medien ein Gerücht, dass Scharen von Roma aus Osteuropa nach Deutschland unterwegs seien. Die Nachricht stellte sich als Ente heraus, hat aber, einem alten Brauch zufolge, Böse Geister fernzuhalten, einige Menschen veranlasst, einen Besen vor die Tür zu stellen, um sich so gegen Roma zu schützen.

Nach neuesten Umfragen sind es zwischen 64 und 68 Prozent der heutigen Deutschen antiziganistisch eingestellt. Über kein anderes Volk wissen die Deutschen (und wahrscheinlich jede andere Nation ebenso) so wenig und zugleich so viel Negatives wie über die Sinti und Roma.